ADVENTURE

Süße Flucht

Sweet escape

Wie ein unerbittliches Metronom und eine endlose To-do-Liste: mit meiner Arbeit, meinem Studium und all den anderen Aufgaben, die immer anstehen, fühle ich mich oft wie auf dem Hamsterrad. Natürlich müssen diese Sachen alle erledigt werden, aber je geschäftiger mein Leben wird, desto mehr wird mir klar, dass ich mir für die Dinge Zeit nehmen muss, die ich liebe und die das Kind in mir begeistern. Und es überrascht wohl niemanden, wenn ich sage: mich begeistert das Radfahren. Wenn ich schnell fahre, neue Orte sehe und ganz spontan auf ein Abenteuer gehe, kann ich auf meinem Bike dem Alltag direkt von der Haustür aus entfliehen und mich im Nirgendwo verlieren.

Jedes gute Abenteuer fängt mit Pizza und Landkarten an.

Quinn und ich studieren beide an der University of Victoria und sind Vollzeit-Radrennfahrer. Wir leben so gut es geht immer der Nase nach und kämpfen gegen die üblichen Terminpläne und Normalitäten. Doch so sehr wir uns auch bemühen, wir müssen trotzdem unsere Arbeiten einreichen und den Regeln folgen. Als Scott diese grandiose Fahrt vorschlug, musste er uns nicht lange überreden – insbesondere da er viel Erfahrung damit hat, ein volles Berufsleben und fantastische Abenteuererlebnisse unter einen Hut zu bringen.

Kettenöl und Reifendruck – typische Vorbereitungen in letzter Minute.

Nördlich der Stadt erstrecken sich hunderte Kilometer von Trails, und die Strecke, die Scott vorschlug, versprach eine Fülle an Irrwegen, epischen Hungerästen und (hoffentlich) immer wieder eine „zweite Luft“. Für diese Sachen leben wir! Und so beluden wir trotz der fetten, grauen Wolken, die einen düsteren Schatten über Victoria warfen, unsere Bikes, packten ein paar Snacks und machten uns auf den Weg in die Berge.

Scott: „Diese Tour hatte wirklich Potenzial. Die Vorstellung, die Stadt hinter mir zu lassen und einen Punkt auf der Landkarte anzusteuern, den ich bislang nur mit dem Auto erreicht hatte, war spannend, aber ich hatte keine Ahnung, wie die Strecke dorthin aussah.“

Wenn du dich schon irgendwo verabredest, dann wenigstens an einem Ort mit fantastischem Kaffee.

Wir hatten vor, dem komplexen Netz aus Radwegen bis zum Stadtrand von Victoria zu folgen und von dort aus auf dem Sooke Wilderness Trail nach Norden zu fahren. Der Cowichan Valley Trail sollte uns dann weiter nach Norden an das Ufer des Shawnigan Lake führen. Nachdem wir unseren Wendepunkt, die Kinsol Trestle, erreicht hatten, sollte es Richtung Küste und von dort mit einer kleinen Fähre über das Saanich Inlet nach Brentwood Bay weitergehen. Den Rest der Strecke zurück in die Stadt wollten wir über Landstraßen zurücklegen, bevor wir dann, nach 140 km auf den tollsten Mountainbike-Strecken im Süden von Vancouver Island, voller aufregender Erlebnisse wieder ins Alltagsleben eintauchten.

...doch wir alle wissen, wohin Koffeinkonsum führt.

Das kalte, windige und regnerische Wetter war nicht sonderlich motivierend. Doch obwohl der Großteil der Stadt diesen Tag wahrscheinlich unter einer warmen Decke verbrachte, folgten wir Victorias Radwegelabyrinth aus unserer Nachbarschaft heraus, an Industriegebieten vorbei, bis wir den Stadtrand erreichten.

Quinn: „Es regnete so stark, dass wir wohl alle Zweifel an unserem Vorhaben hatten, aber niemand wollte es zugeben. Wir fuhren durch die Innenstadt und auf den ‚E&N Rail Trail‘, wo fantastische Graffiti zu sehen sind.“

Eine kleine Regenpause auf unserem Weg aus der Stadt heraus.

Als wir die Stadt verließen, wurde die Welt grüner und wir fühlten uns etwas kleiner. Die Straßen wurden enger, es gab immer weniger Häuser und schneller als erwartet gab es nur noch uns, den Trail und den sintflutartigen Regen.

Auf in die Berge

Der erste Abschnitt des Sooke Wilderness Trails weckte unsere Abenteuerlust. Dieses Band aus feinem Schotter führte uns durch ein grünes Meer aus hohen Bäumen, bis es plötzlich steil nach oben ging und der Trail im Nebel weit über uns verschwand.

Folge dem Trail bis tief in eine Welt der Riesen

Der Anstieg zum Malahat Summit war steil und unerbittlich. An einigen Stellen mussten wir so hart um jeden Meter kämpfen, dass die Kette über die Kettenblätter knirschte, während wir hart in die Pedale traten. Unsere Gedanken wurden leer und wir konzentrierten uns nur noch auf unser schweres Atmen und die immense Erschöpfung. Herrliche Freiheit!

Der Gipfel war eine Erleichterung. Jetzt, da der Aufstieg hinter uns lag und wir uns auf die Abfahrt freuen konnten, amüsierten wir drei uns über die Lächerlichkeit unserer Lage und zogen weiter. Vielleicht lag es daran, dass wir als drei Mountainbiker auf Gravelbikes unterwegs waren und sich das etwas albern anfühlte, doch ich denke, der Hauptgrund war, dass wir zu müde waren, um klar denken zu können. Wir dachten nur noch ans Bergab-Shredden und wollten die Strapazen des Anstiegs schnell vergessen.

Man kommt nur auf eine Art durch die Berge - mit großer Anstrengung.

Scott: „Ich war überrascht, wie vielfältig der Sooke Wilderness Trail und der Cowichan Valley Trail waren. Jeder Abschnitt war ein bisschen anders, und das hat viel Abwechslung – und Spaß – ins Spiel gebracht. Die Abfahrt hat erstaunlich viel Spaß gemacht; ein bisschen à la 1980er Mountainbiking – haha!“

Quinn: „Die Abfahrt nach Shawnigan war echt irre. Wir haben alle versucht, uns auf den Schotterserpentinen so quer wie möglich zu stellen!“
Gravelbike-Shredden. Das gibt's wirklich und es ist krass!

Was ist die optimale Granulatgröße für Schotter? Die Antwort ist: genau die, auf der wir hier gefahren sind.

Die Abfahrt vom Malahat brachte uns ins Cowichan Valley, wo wir uns glücklicherweise auf flacherem Terrain wiederfanden und schnell vorankamen. Wir fuhren durch einen Tunnel aus Bäumen und an den Ufern des Shawnigan Lake entlang, bis wir die Kinsol Trestle erreichten, der fernste Punkt auf unserer Strecke. Mit einer Höhe von 44 m ist die 1944 errichtete Kinsol Trestle eine der höchsten Trestle-Eisenbahnbrücken der Welt. Ein würdiges Tagesziel.

Die Kinsol Trestle war der nördlichste Punkt unserer Strecke.

Von dort bogen wir auf einen Forstweg ab, der „Koksilah Road“ hieß – ein Name, über den wir drei in unserem hungerastigen Zustand leise lachen mussten. Im Drumroaster Café in Cobble Hill wollten wir mit frisch geröstetem Kaffee und Gebäck wieder auftanken, denn wir waren bis auf die Knochen nass und unsere Stimmung war getrübt.

Quinn: „In der letzten halben Stunde, bevor wir am Drumroaster Café ankamen, habe ich mir echt nur gewünscht, wir wären schon dort. Ich habe wirklich ein Sandwich und einen Kaffee gebraucht – und ehrlich gesagt auch eine Pause!“

Durch einen Tunnel aus Bäumen auf dem Cowichan Valley Trail

Der Regen hatte uns von Anfang an zugesetzt, und nun drang die Feuchtigkeit langsam in mein Kameraobjektiv ein. Als wir das Café in Cobble Hill verließen, hatte ich Sorge, dass das Objektiv permanent beschädigt war, doch mir war klar, dass ich nichts dagegen tun konnte, bis wir wieder zu Hause waren. Zu diesem Zeitpunkt war ich mir nicht einmal mehr sicher, dass wir es heil wieder zurückschaffen würden.

Die warmen Getränke und das Essen im Drumroaster Café hatten wir uns verdient, und sie brachten uns (ein Stück weit) wieder auf die Beine. Wir saßen im Café und schauten nach draußen in den Regen, aber schließlich mussten wir wieder los und es gab nur eines: in den strömenden Regen hineinradeln.

Quinn: „Wir brachen in heftigem Regen wieder auf. Das war nicht die moralische Unterstützung, auf die ich gehofft hatte.“

Scott: „Aus dem Café in den strömenden Regen zu laufen war nicht meine Vorstellung davon, wie ich den Rest des Tages angehen wollte. Doch wir akzeptierten die Nässe, und ich nahm all die Dinge wahr, die diese Gegend so besonders machen. Die Farben, die einzigartigen Bauernhöfe mit ihren Tieren ... sie schienen allesamt unbeeindruckt von diesem Wetter.“

„Es war ziemlich cool, dass sich die Pferde streicheln ließen, und dann begann eines davon, meinen Bart anzuknabbern. Seltsam war das schon, aber warum nicht!“ - Selbsternannter Pferdeflüsterer Scott Pilecki.

Wir hatten vor, vom Café in Cobble Hill nach Mill Bay zu fahren und von dort mit der Fähre die Bucht zu überqueren, anstatt wieder über den Malahat-Pass zurück zu radeln. Aber nach einem langen Tag in schlechtem Wetter waren wir so erschöpft, dass wir eine wichtige Abbiegung verpassten und uns verfuhren.

Scott: „Wir schauten noch einmal auf die Karte und realisierten, in welchem Schlamassel wir uns befanden. Mist! Es war ungefähr 17:30 Uhr, es regnete, und wenn wir unsere Strecke über Mill Bay beenden wollten, konnte es sein, dass wir das letzte Boot verpassen. Das Risiko war einfach zu groß, und im schwindenden Tageslicht entschlossen wir uns, die Zähne zusammenzubeißen und wieder den Malahat hochzuklettern.“

Das Cowichan Valley ist voller kurvenreicher Straßen inmitten einer einzigartigen Landschaft.

Die Abfahrt vom Malahat herunter ist eine notorisch gefährliche Strecke des Trans-Canada Highway auf Vancouver Island, und der Regen und das Dämmerlicht machten die Abfahrt besonders problematisch. Mit konzentriertem Blick und zusammengepressten Lippen richteten wir unsere ganze Aufmerksamkeit auf Schutt am Straßenrand und die unberechenbare Fahrweise der Autos zu unserer Linken. Es war heftig, und als wir unten ankamen, waren wir uns alle einig, dass es definitiv Zeit für einen Drink war. Zum Glück hatte Quinn vier Hey Y‘alls (ein alkoholisches Eisteegetränk aus BC) dabei, die er schon die ganze Fahrt lang mitgeschleppt hatte. Er hatte nur auf den richtigen Moment gewartet, um sie mit uns zu teilen, und dieser war nun gekommen.

Quinn: „Vor der Fahrt dachte ich mir, es würde Spaß machen, im richtigen Moment ein Dosenstechen mit ein paar Hey Y‘alls zu machen. Ich hab‘ welche eingesteckt, bevor wir losgefahren sind, und als wir den Malahat überstanden hatten, wusste ich, dass der Moment gekommen war. Ein schnelles Dosenstechen – dank dem OneUp EDC-Tool – und es war an der Zeit, die letzten 15 km nach Hause anzugehen.“

Fast zu Hause!

Mit dem bisschen Mut, den wir uns angetrunken hatten, fuhren wir gemeinsam die letzten 15 km, erzählten uns Stories und lachten über das, was heute passiert war. Wir haben über Sachen gelacht, bei denen wir nicht einmal wussten, ob sie lustig waren, aber wir waren so müde, dass außer Lachen nichts mehr ging. Außerdem war es ein gutes Mittel gegen die Erschöpfung in unseren schweren Beinen. Als wir wieder an bekannten Orten vorbei und durch unsere gewohnte Landschaft fuhren, war klar, dass sich hier nichts wirklich verändert hatte, doch für uns war alles anders. In gerade einmal zwölf Stunden hatten wir mehr erlebt als in einer ganzen Woche auf dem Hamsterrad. Wir haben Gipfel erklommen, dem Wetter die Stirn geboten und stressige Situationen gemeistert. Scotts Bart wurde sogar von einem Pferd angeknabbert!

Für uns war die Fahrt durch bekannte Viertel eine willkommene Rückkehr zum Alltag. Die zurückgelegte Tour hat ihre Spuren hinterlassen und war genau das, was wir alle brauchten. Dieser Tag ist das perfekte Beispiel dafür, weshalb Bikes das ultimative Tool für ein modernes Abenteuer sind.

UNSERE PERSONEN

Scott

Scott hütet die Rocky Mountain-Athleten. Er ist ein Kenner der Feinheiten des Lebens und ein schwarzes Loch der Konversation.

Scott war auf einem großen Rocky Mountain Solo unterwegs und stellte seine Topo Design Lenkertasche zur Schau, in der er ganz bequem sein OneUp Components 100cc Pump and Tool-System verstaut hatte. Weder Regen noch Kälte konnten Scott in seiner Revelation-Jacke und dem Desperado Henley-Trikot aus Merinowolle etwas anhaben.

Quinn

Quinn ist ein harter Kerl im Bike-Racing und ein Whole-Foods- und Tequila-Fanatiker. Außerdem ist er stolz darauf, auch „der Hundeflüsterer“ genannt zu werden.

Sein Solo war mit dem OneUp Components EDC Tool and Pump-System ausgestattet, und anstelle der Standard-700c-Reifen entschied sich Quinn für Maxxis Ravagers 650b. Neben seinem dicken Fell hielt ihn ein 7mesh Oro Mission Jersey auf der gesamten Fahrt warm.

Félix

Als Sushi-holiker mit Wurzeln in BC und Quebec ist Félix ein seltsames Geschöpf, das sowohl XC-Fitness als auch DH-Kompetenz verkörpert.

Félix hat sein Solo mit Vario-Sattelstütze in den Schotterkurven so richtig quer gestellt und konnte mithilfe seiner 7mesh MK3 Bib und Farside Shorts seinen Hintern schotterfrei halten. Seine Corsa-Jacke und Cypress-Weste hielten ihn warm.